Mein Weg zum traditionellen Zen

Der Vollmond steht im Zen für die Erleuchtung, für die Buddha-Natur. Wir Menschen sprechen von Halbmond, zunehmenden Mond, Neumond oder Vollmond. Doch der Mond ist in Wahrheit immer rund, egal wie ihn die Sonne beleuchtet. Das ist eine Allegorie zur Buddha-Natur. Auch die Buddha-Natur ist im Menschen immer vorhanden, wie auch immer unser Leben aussehen mag. Buddha würde sagen: Wir Menschen sind in keiner Sekunde von Nirvana, also dem erwachten Bewusstsein getrennt.

Es ist nun fast zwanzig Jahre her, als ich mit 16 Jahren mit dem Zen-Buddhismus in Berührung kam. Mein Weg zum Zen ist recht einfach erklärt.

Komische Gedanken

Mit sechzehn hatte ich mich unsterblich in eine junge Frau an meiner Schule verliebt (ich nenne sie hier Maria) und machte mir viele Gedanken. Was wird getuschelt, wenn ich mit Maria zusammenkomme? Was sagt ihre Schwester zu mir? Was sagt ihr Vater zu mir? Wo werden wir wohnen? Wann heiraten wir? Wie nennen wir unsere Kinder?

Meditation als Lösung

Kurzum, meine Gedanken zermarterten mir mein Gehirn. Zumal ich wusste, dass es mit Maria eh nichts werden würde, war ich selbst über diese kindischen und seltsamen Gedanken überrascht. Ich fragte mich: Was kann ich denn in meiner Hilflosigkeit nur tun, damit sich mein Denken beruhigt? Mir war glasklar: Ich muss anfangen zu meditieren! Also setzte ich mich auf den Boden, polsterte mit meinem Kopfkissen meinen Hintern und fing an zu meditieren.

Der Verstand braucht Futter

Bald, nach wenigen Tagen, meldete sich mein Verstand: Du musst doch wissen, was du da jetzt machst! Einfach nur sitzen? Wie nennt sich das denn? Also besuchte ich Google, gab Meditation in die Suchleiste ein, und schon wurde ich fündig. Das, was ich da machte, hieß also Zen. Ich lernte, dass Zen buddhistisch war und aus Japan kommt.

Das erste Buch über Zen, war das von Taisen Deshimaru. Es wurde mir auf Amazon zufällig empfohlen.

Nicht mein Zen

2009 folgten dann mehrere Sesshins am Benediktushof in Holzkirchen bei Willigis Jäger (1925–2020). Willigis Jäger war ein Benediktiner und Zen Meister der Sanbô-Kyôdan-Schule. Doch Holzkirchen – auch wenn ich viele Male dort war – bot nicht das, was ich suchte. Das Zen der Sanbô-Kyôdan-Schule war einfach nicht mein Fall. Es fehlte mir an Zeremonien, an Ritualen, an einer einheitlichen Kleidung. Also all das, was Zen ursprünglich in Japan ausmachte.

Liebe auf den ersten Blick

Erst mit dem Besuch des Soto-Zen-Klosters Ryumon Ji in Weiterswiller, Frankreich schloss sich für mich der Kreis. Es machte wirklich Klick und ich verliebte mich auf Anhieb in das Zen der Soto-Zen Tradition. Das, wonach ich so lange gesucht hatte, fand ich in Weiterswiller.

Zen erreicht Europa

Taisen Deshimaru - der Bodhidharma der NeuzeitSoto-Zen kam in den 1960er Jahren mit dem Japaner Taisen Deshimaru (1914–1982) nach Frankreich. Bald schlossen sich ihm einige Studenten an und er gründete mehrere Klöster.

Er wird in Japan auch der Bodhidharma der Neuzeit genannt. Bodhidharma (um 440–um 528) brachte die buddhistische Lehre von Indien nach China. Taisen Deshimaru brachte das Zen von Japan nach Frankreich. Beide versuchten also ihren Glauben in fremden Ländern weiterzugeben.

Interessanterweise, war das erste Buch, das ich über Zen gelesen hatte, ein Buch von Taisen Deshimaru, wie ich es oben geschildert habe. Das Vermächtnis des Taisen Deshimaru ist mir als Sechzehnjähriger in Buchform begegnet, dann einige Jahre später in Form des Klosters im Elsass, das Olivier Wang-Genh, ein Schüler von Taisen Deshimaru gegründet hat. 

Ich muss wirklich sagen, dass ich Zen – wie es wohl in seiner ursprünglichen, japanischen Form gemeint ist – erst während des Sesshins in Ryumon Ji zum ersten Mal begriffen hatte. Es hat mich sehr berührt, weil ich spürte: Hier wird das ursprüngliche Zen gelebt.

Die Wege des Zen

Was ist nun der Unterschied zwischen dem Zen der Sanbô-Kyôdan-Schule in Holzkirchen und dem Zen der Soto Tradition in Weiterswiller?

  1. In Weiterswiller wird das Herzsutra in Sino-Japanisch in einer Morgenzeremonie rezitiert.
  2. Die Mönche und Nonnen im Ryumon Ji tragen Kesa: ein Mönchsgewand in typisch-japanisch schwarzer Farbe.
  3. Es finden Mondos in der Zen-Halle statt: Fragen an den Meister des Klosters, Olivier Wang-Genh.
  4. Der traditionelle Reisbrei Okayu wird als Frühstück gegessen, vor jedem Essen, Rezitation in Sino-Japanisch.
  5. Die Hingabe an den Buddha, an den Zen-Weg wird mit Niederwerfung vor dem Holz-Buddha in der buddhistischen Kapelle bekräftigt.
  6. Gebäude, die an die japanische Zen-Architektur angelehnt sind.
  7. Die Meditationshalle wird im Morgengrauen und in der Abenddämmerung abgedunkelt gehalten und nicht künstlich beleuchtet, anders als in Holzkirchen.
  8. Mönche und Nonnen leben gemeinsam im Kloster. Besonders bekannt ist, die Nonne: Kankyo Tannier.
  9. Kurzum: Das ganze Kloster hat ein besonderes, japanisches Flair. Der Zen-Geist ist definitiv spürbar. Du kannst Dir ein gutes Bild auf der Internetseite von Ryumon Ji machen.

Falls Du nicht nach Frankreich kommen solltest, gibt es auch in Deutschland eine Sangha mit Soto-Zen Wurzeln. Nämlich hoch im Norden Deutschlands, in Schleswig-Holstein: das Zen Zentrum Schönböken – Mokushozan Jakkoji.

Wenn schon, dann richtig

Die Tradition eines spirituellen Weges hat einen Grund, warum sie existiert. Sie trägt den Menschen und es hat auch eine ganz andere spirituelle Wirkung, wenn ich ein Kesa trage, Sutren rezitiere und mich aus Hingabe an die Lehre vor einem Buddha niederwerfe, als ein Zen in nicht-traditioneller Art und Weise. Zen ist mehr als nur die Sitzmeditation. Zu Zen gehört auch die Tradition, das ist meine persönliche Auffassung.

Welches Zen übst du?

Lass mich wissen, was du von traditionellem Zen hältst, oder generell von traditionell-spirituellen Wegen! Vielleicht siehst du es ja genau andersherum: dass Zen aus der Tradition gelöst werden muss, um für den westlichen Suchenden eine wirkliche Alternative zu sein. Vielleicht suchst du genau ein Zen, das frei ist vom Traditionellen? 

Danke, Zen!

Meine Zeit als Zen-Schüler möchte ich keinesfalls missen. Der Zen-Weg hat mich als junger Mann durch enorme psychische Schwierigkeiten hindurchgetragen. Längst ist auch von der Wissenschaft bekannt, wie wirkungsvoll Meditation ist. Zen hat mir enorm geholfen, ruhiger zu werden und mit ganz herausfordernden Gedanken und Ängsten umzugehen. Es war außerdem sehr interessant viel über den Buddhismus zu lesen und selbst Erfahrungen zu machen.

Zen hat in mir ein Verständnis und ein feines Gefühl für den Geist der Mystik gegeben, was mir jetzt hilft, auch den Weg der christlichen Mystik zu verstehen. Die Meditation hat mich tiefe Gefühle erfahren lassen. Die Sesshins, die ich ab 2009 gemacht habe, sind mit eindrücklichen Erinnerungen verbunden … 

Ich erinnere mich an das Zenkloster in Eisenbuch Daihizan Fumonji, als wir um vier Uhr nachts geweckt wurden und zu zehnt über den Platz des Klosters liefen, zur ersten Sitzmeditation, während der Vollmond uns den Weg leuchtete. Eine Erfahrung für die Ewigkeit. Oder auch als unser Zenlehrer am Abend, am Ende der Meditation, japanische Taiku-Trommeln mit Trommelstöcken schlug. Mit jedem Schlag hatte ich den Eindruck, als ob mein Geist in diesem einen Moment des Klanges zum Stillstand gekommen ist … 

Man könnte sagen, dass mich Zen spirituell geschult hat. Es hat mir viel über mich selbst gelehrt. Ohne Zazen wäre meine heutige, christliche Spiritualität nicht denkbar.

Danke Zen!