Resilienz stärken: unterwegs mit Psalm 23

Gerade sitze ich im Zimmer eines Exerzitienhauses in Würzburg. Es ist angenehm warm, der laue Frühlingswind streicht sanft durchs geöffnete Zimmerfenster, wovor ich sitzend schreibe. Es ist ein Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren: eine geistliche Oase. Vor mir liegt der Klostergarten, von Ferne dringt das Plätschern von Wasser eines Brunnens an mein Ohr, Tauben gurren und durch die Klostermauern dringt gedämpft der Verkehr.

Wie könnte es nun besser sein, als dass ich hier an diesem christlichen Ort – der ab dem 13. Jahrhundert Mönchen und Nonnen eine geistliche Heimat war, wo gebetet, gehofft, geglaubt wurde – über eine Frage schreibe, die mich beschäftigt: Was schenkt uns Resilienz? Was macht uns stark und selbstbewusst? Wie kann ich in Not und Gefahr, in Lebensumständen, die mir unangenehm sind, bestehen?

Eine große Herausforderung

Aber ich sollte erst einmal berichten, wie ich zum heutigen Thema gekommen bin. Als ich eines Morgens durch meine Heimatstadt geschlendert bin, stieß ich auf eine Situation in der Fußgängerzone, die mir unangenehm war und die mich unsicher machte. Genau in diesem Moment sehnte ich mich nach Halt, nach Sicherheit, nach Stärke und Resilienz. Plötzlich kamen mir die Worte eines der bekanntesten Psalmen in den Sinn:

Muss ich auch wandern, in finsterer Schlucht,

ich fürchte kein Unheil;

denn du bist bei mir.

Du hast den Psalm sicher wiedererkannt. Es ist der Psalm 23, durch den ich in dieser belastenden Situation in der Fußgängerzone großen Trost erfahren habe. Das Rezitieren des Verses hat mich gestärkt. Aus Unsicherheit wurde Souveränität. Genau das ist auch der Titel meines heutigen Beitrags: Resilienz stärken: unterwegs mit Psalm 23.

Die Übung

Du kennst bereits das Jesusgebet, auch Herzensgebet genannt. Wenn du nun wie ich, nicht ganz zufrieden bist, mit der Gebetsformel „Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner“, dann ist es möglich, das Herzensgebet mit jeder beliebigen Formel zu sprechen. Wieso sollten wir nur auf die klassische, traditionelle Grundformel beschränkt sein? Zu diesem Thema wird es bald ein kostenloses E-Book von mir geben. Darin gebe ich eine etwas andere Interpretation des Herzensgebetes mit vielen alternativen Gebetsformeln.

Zurück zum Thema: Ich kann also Resilienz und Charakterstärke durch das Beten mit Psalm 23 erreichen, indem ich den Psalm als Herzensgebet sprechen. Dazu verwende ich einen Rosenkranz, oder auch eine orthodoxe Gebetskette. Es kann empfehlenswert sein, den Psalm auswendig zu lernen. Das dauert zwar ein bisschen und kostet Anstrengung, aber es lohnt sich!

Überall, wo du unterwegs bist!

Am einfachsten ist es, die Worte im Gehen zu rezitieren, so entfaltet sich die Wirkung am besten. Es kann in einem Park, einem Wald, an einem See gebetet werden, oder auch in einer Stadt, an einem Bahnhofssteig, in einer Kirche. Egal wo du unterwegs bist, dort wo du bist, ist Gebet möglich. Anders ausgedrückt: Überall dort, wo es Probleme gibt, kann der Psalm 23 helfen, wirkliche Resilienz aufzubauen. 

Anfangs kann es Sinn machen, wenn du den Psalm von Anfang bis Ende betest, immer wieder. Bist du am Ende angelangt, beginnst du von vorne. Wenn du dann im Psalm sicher geworden bist, das heißt, wenn du ihn „im Schlaf“ sprechen kannst, dann kannst du beginnen, die verschiedenen Verse, kreativ neu anzuordnen und frei zu wiederholen. Zum Beispiel sprichst du dann Vers 4, dann Vers 2, dann Vers 6, usw. Oder du bleibst bei einem Vers, und wiederholst diesen.

Ein Psalm, viele Themen

Psalm 23, ein sehr besonderes Gebet, hat alles in sich: Hingabe an Gott, den „guten Hirten“; Geborgenheit und Sicherheit unter seiner Führung; Vertrauen in seine Wege; Mut und Entschlossenheit in Bedrängnis; Hoffnung in der Not; geistlichen und finanziellen Reichtum als Gnadengeschenke; Charakterstärke, Resilienz und Unerschrockenheit in der Anfeindung; Dankbarkeit, zu den Erwählten zu gehören und schließlich Erleuchtung in Gott durch eine inspirierte, glorreiche Zukunft.

Da ich nun von der Methodik geschrieben habe, möchte ich dir gerne noch ein paar persönliche Gedanken zu den Versen des Psalm 23 mitgeben. Dieser Psalm ist für mich eine vollkommene Liebeserklärung an den „guten Hirten“, dem ich persönlich durch die Poesie der Verse ganz neu begegnet bin und der mir – seitdem ich Psalm 23 als Herzensgebet übe –, neben Trost und Tröstungen, besonders Resilienz und viel Kraft geschenkt hat.

Die trostreichen Verse des Psalms

Vers 1:

Der Herr ist mein Hirte,

nichts wird mir fehlen.

Ist das nicht ein wunderbares Bild von einem Gott als Hirten? Auf den ich vertrauen darf, wie ein Kind auf seine Eltern? Er behütet mich, er gibt auf mich Acht, und er läuft mir sogar nach, wenn ich mich verirrt habe. Jesus sagt zu den Pharisäern, die sich darüber empören, dass er sich mit Zöllnern und Sündern abgibt:

Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? (Lukas 15,4)

Was haben wir da für einen treuen Gott? Der uns nachgeht, der sich kümmert. Sehnst du dich auch nach innerem Frieden, nach gedanklicher Ruhe, nach Resilienz? Du wirst die wunderschöne Erfahrung des Trostes und der Geborgenheit machen, wenn du die Worte: „Der Herr ist mein Hirte“, beten kannst.

Meine Seele wird stille in dir

Wenn ich bei Gott bin, und in ihm ruhe, dann brauche ich nichts mehr; „nichts wird mir fehlen“ . Meine Seele wird still. Das Motiv des ersten Verses, nämlich der Hingabe und der Geborgenheit, finden wir auch im 5. Vers, wo es heißt: „Du deckst mir den Tisch von den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl. Du füllst mir reichlich den Becher.“ Der Psalmist David gebraucht hier das Bild eines Gottes, der unser Versorger ist. Gott wird dafür sorgen, dass uns nichts fehlt, dass wir mit allem versorgt sind.

Vers 2:

Er lässt mich lagern auf grünen Auen

und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.

Eine zauberhafte poetische Bildersprache! Grüne Auen und ein Ruheplatz am Wasser … Da muss ich an eine Oase mitten in der Wüste denken. Ein Ort der absoluten Ruhe, der Hoffnung und auch des leiblichen Wohls. Wer einmal in der Wüste war, der weiß, wie trostreich ein Ort ist, an dem das kostbarste Gut reichlich sprudelt. Dort wo alles menschenfeindlich ist, gibt es plötzlich einen Ort, der Leben rettet, der Leben überhaupt erst möglich macht. Das schwingt bei diesen Worten mit. Auch der Leib kommt zur Ruhe, er wird ernährt, er trinkt vom Wasser der Oase und findet unter den Palmen Schutz vor der glühenden Sonne; er erholt sich nach den Anstrengungen der Wanderung.

Orte der Erholung

Das ist das Bild, das uns der Psalmist David mitgibt. Wer Gott zutiefst vertraut, ihn „guter Hirte“ nennen kann, dem wird Gott auch Oasen schicken, die nicht nur in der Wüste zu finden sind: Oasen der Stille im Alltag der „Stadtwüsten“, an denen ich „auftanken“ kann, wo meine Bedürfnisse nach Erholung und Auszeit befriedigt werden. Achten wir auch darauf, dass wir nach einer anstrengenden Zeit, solche Oasen stets aufsuchen, um uns mit Gott und unserer Seele wieder zu verbinden.

Vers 3:

Er stillt mein Verlangen;

er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.

Wer in Gott ruht, dessen Verlangen wird still. Es ist der dreieinige Gott – ein Gott, der in sich in Beziehung ist –, der unsere tiefsten Sehnsüchte kennt und sie erfüllen will. Beten wir doch einmal mit unserer Sehnsucht. Wenn ich an der Eucharistiefeier teilnehme, dann stelle ich mir vor, wie Jesus mich vor der Kommunion fragt: „Was willst du, dass ich dir tue?“ (Mk 10,51; Lk 18,41).

Sehnsucht als treibende Kraft

Was ist es denn, was du willst? Was ist deine tiefste Sehnsucht? Wenn wir mit unserer innigsten Sehnsucht verbunden bleiben, dann leben wir in kraftvollen Gefühlen, dann leben wir unser Leben mit Leidenschaft und Passion. Es ist an der Zeit, dich zu fragen: Was ist es, dass du dir ersehnst?

Wenn du in Kontakt mit deinem innersten Kern bist – der Sehnsucht ist –, und weißt, was du willst, dann teile es dem „guten Hirten“, Gott mit. Er will es aus deinem Mund, mit deinen ganz persönlichen Worten hören. Die Sehnsucht – wonach auch immer, nach Gesundheit, nach geistlichen Erfahrungen, nach Trost, nach Sicherheit, nach anderen Lebensumständen, nach Frieden im Innen oder auch im Außen, nach Resilienz, Stärke und Souveränität – ist unsere stärkste treibende Kraft, die uns zu lebendigen Menschen macht.

Er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.

Gottes Heiliger Geist ist es, der uns auf rechten Pfaden leitet. Darauf dürfen wir vertrauen. Wer im Heiligen Geist verwurzelt ist – und das ist ein langsames Hineinwachsen –, der kommt zur richtigen Zeit, zum richtigen Ort, zu den richtigen Menschen. Darauf dürfen wir vertrauen!

Wo begegnet uns Gott?

Wir können uns fragen: Wo erleben wir Gottes Handschrift in unserem alltäglichen Leben? Ist es ein unerwartetes Telefonat mit einer Freundin, die sich schon länger nicht mehr gemeldet hat, ist es ein Elternteil, das „wie aus heiterem Himmel“ anruft, um sich zu entschuldigen, ist das die Freude an der Natur, die uns anspricht, ist es eine Inspiration, eine Vision, eine dringliche Frage, die sich plötzlich klärt, ein Problem, das sich löst, ein Buchzitat?

Wo ist Gottes Handschrift in deinem Leben? Wo ist dir Gott so klar und deutlich begegnet, dass du selbst als Zweifler und Skeptiker baff warst? Wo du dir gesagt hast: „Das gibt es doch gar nicht!“ Dort will dir Gott begegnen, denn der christliche Gott ist zwar oftmals ein verborgener Gott, doch auch ein Gott der Beziehung und der Gemeinschaft, der sich immer wieder den Menschen offenbart.

Vers 4:

Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,

ich fürchte kein Unheil;

denn du bist bei mir,

dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.

Eine Schlucht ist ein Ort, wo der Wanderer kaum Licht sieht. Weder vor sich noch hinter sich, vielleicht kann er noch nicht einmal den Himmel über sich erblicken. Ein wirklich deprimierender Ort! Ein Ort der Verzweiflung und Not. Aber selbst dort, weiß David, sich geborgen und zuversichtlich. Selbst an solchen Orten ist Gott da. Auch wenn es fast unmöglich scheint, Gottes Gegenwart lässt sich überall finden …

Wie ich am Anfang geschrieben habe, bin ich in der Fußgängerzone einer herausfordernden Situation begegnet, die mich unsicher gemacht hat. Mit Hilfe dieser Worte bestand ich die Krise. Die Verse, leise vor mich her gemurmelt, schenkten mir Resilienz und Widerstandskraft, ich erhielt Zuversicht und alle Furcht verschwand.

Die Macht des Gebetes

Immer wenn ich in meinem Alltag etwas Unangenehmes tun muss, dann bete ich den 4. Vers: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht …“ Vielleicht brauchst du Resilienz in der Schule, bei einer Prüfung, im Job, bei einer Besprechung, auf einer Feier. Egal wo, nutze Psalm 24 als immerwährendes Gebet, und erfahre spürbar Trost.

Wie bauen wir aber ein solches Gottvertrauen auf, dass wir beten können: „Ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir“. Eine Möglichkeit ist das Gebet und die Geduld. Über 13 verschiedene Wege des Gebetes habe ich bereits geschrieben. Egal wie tief wir aber im Gebet verwurzelt sind, der Weg mit Gott bleibt ein lebenslanger Schulungsweg, der vor allem eines braucht: Geduld. Geduldig einen Schritt vor den nächsten setzen und Gott jeden Tag aufs Neue suchen.

Nach meiner Erfahrung kann der Psalm 23, auswendig gelernt und als Herzensgebet gesprochen, sehr viel bewirken, eben auch ein sehr starkes Gottvertrauen. So kraftvoll, dass wir sagen können: „Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht“.

Vers 5:

Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde.

Du salbst mein Haupt mit Öl,

du füllst mir reichlich den Becher.

In Vers 5 wird der Gedanke aus Vers 1 erneut aufgenommen, wo es heißt: „Nichts wird mir fehlen“. Das heißt aber nicht nur, dass mir nicht nur nichts fehlen wird, sondern mir wird auch alles geschenkt und gegeben, was ich mir zutiefst wünsche: Gott deckt mir den Tisch, lädt mich zu einer Mahlzeit ein, segnet mein Haupt zärtlich mit Öl und füllt meinen Becher, und zwar „reichlich“.

Gott, der „Sehnsuchtsstiller“

Auch das Motiv des 3. Verses wird wiederholt: „Er stillt mein Verlangen“. Gott ist es, der wahre Resilienz möglich macht. Immer wenn wir Gott um Stärke bitten, wird er sie uns geben. Manchmal ist es sinnvoll – wenn die Gedanken nur so rasen und unkontrollierbar werden – diese Gedanken in uns nicht zu bekämpfen, sondern sie einfach durch andere zu ersetzen. Dies geschieht bei der Methode des immerwährenden Gebetes. Ich ersetze meine Gedanken durch die Rezitation der Bibelworte. Die Wüstenväter nannten das übrigens Bibelverse „wiederkäuen“, weil die Worte immer wieder gedacht oder gesprochen werden, sooft wie eine Kuh das unverdaute Gras wiederkäut.

Der Vers 5 zeigt auch den Umgang mit den täglichen Sorgen. Jesus sagt dazu:

Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern? […] Seht euch die Lilien an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. […] Sucht nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! […] Euer Vater weiß, dass ihr das braucht. Vielmehr sucht sein Reich; dann wird euch das andere dazugegeben. (Lukas 12,25-31)

Einfache Worte – große Wirkung

Wenn du in großer Sorge bist, im Gedankenkreisen gefangen, in seelischer Not, dann wende das immerwährende Gebet an. Nutze dazu zum Beispiel einen Rosenkranz und mit jeder Perle, betest du den Vers: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.“ Das betest du ununterbrochen. Du wirst merken: Deine Sorgen nehmen ab, du erlangst eine Stille in Gedanken und im Herzen; deine Seele wird gestärkt. Das ist dann die größte Freude, die ein Betender, eine Betende erleben kann: Die Stille in Gedanken und die Liebe und Freude im Herzen.

Den Abschluss bildet Vers 6:

Lauter Güte und Huld werden mir folgen ein Leben lang

und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.

Wenn wir tief im Vertrauen zu Gott sind – was wir durch die Gnade des Herzensgebet erlangen können –, dann endet aller Kummer und wird ersetzt durch Geborgenheit, Frieden und Resilienz. David sagt sogar: „ein Leben lang“, immer wieder aufs Neue.

Das schönste Geschenk

Im „Haus des Herrn“ ist ein Begriff für die Gegenwart Gottes, die das bedeutendste und wertvollste Geschenk ist, das Gott uns machen kann. Auch Bruder Lorenz suchte die Gegenwart Gottes. Erfahre hier wie er sie gefunden hat.

Ich wünsche dir nun gutes Gelingen beim Herzensgebet mit dem Psalm 23. Vielleicht findest du auch andere Psalmen, die dich berühren. Es kann sein, dass der Beitrag der Startschuss für dich ist, die Psalmen als immerwährendes Gebet einzuüben. Im Grunde ist das ganze Evangelium voll von „Affirmationen“, „Koans“ und Formeln, die für das persönliche Gebet hervorragend geeignet sind. Dazu aber bald mehr in meinem kostenlosen E-Book.

Vielen Dank, dass du mir deine Zeit geschenkt hast!

Lass dich inspirieren! Und erfahre, wie du Resilienz aufbauen kannst!

Interessierst du dich für das Ruhegebet in der Tradition der Wüstenväter? Dann klicke Hier.

Willst du wissen, was wir Christen von unseren buddhistischen Freunden lernen können? Dann klicke Hier.

Suchst du nach Wegen des Gebets? Dann klicke Hier.

Willst du wissen, wie uns Heilige inspirieren können? Dann klicke Hier.

Langweilst du dich öfters? Dann erfahre, wie du der Langeweile spirituell begegnen kannst. Hier.

Benötigst du Worte der Zuversicht, weil Gott scheinbar abwesend ist? Dann klicke Hier.