Wie kann ich beten? Teil 3

Steigen wir wieder gleich in weitere vier Übungen ein:

#9 Sich beklagen

In unserem Leben kennen wir die dunklen Stunden nur zu gut. Jeder Mensch leidet, es gibt kein Leben ohne Leid. Wie unter dem Punkt (8), sein Kreuz auf sich nehmen, schon beschrieben worden ist, kann das Leid aber eine Quelle der Inspiration sein, sogar eine Möglichkeit sich Jesus ganz hinzugeben und dadurch Heiligung zu erfahren.

Wie geht das? Indem ich mein Leid mit Gott teile; indem ich klage!

Wichtig ist, dass die Klage, das Unangenehme Gott hingehalten wird. Es ist eben nicht ein Murren wie das Volk Israel in der Wüste. Klage ist Gottesbeziehung, weil ich meine Klage an Gott richte. Du kannst im Gebet, alles Gott sagen. Manchmal bete ich: „Gott! Ich habe die Schnauze voll! Ich könnte mich wirklich aufregen! Warum bist du jetzt wieder weg? Glaubst du denn das fällt mir leicht, dieses ständige Auf und Ab im Glaubensleben? Ich brauche dich und ich verlange nach dir. Aber wenn du mir immer wieder die kalte Schulter zeigst, wie soll ich damit umgehen …?“

Das waren so etwa gestern meine Worte. Ich will damit sagen, dass du wirklich alles mit Gott teilen kannst, und sogar sollst – auch die Wut, den Zorn, deinen Hass, deinen Neid, deine Schatten.

Du wirst so zu einem Kind, so ehrlich im Herzen und reinherzig, das von einem Moment auf den anderen überglücklich ist und dann wieder zornig. Viele Menschen denken ja, bei Gott muss ich besonders heilig sein. Sei so wie du bist. Wir Menschen tragen genug Masken im Alltag, wir spielen ein Spiel, eine Rolle. Doch Gott will unser Herz, unser wahres Herz, unser wahres Gesicht. Es ist egal wie vernarbt das Herz ist, wie schmutzig dein Gesicht. Gott will dich heil machen.

Klage ist eine besondere geistliche Übung. Und meistens ist es so, dass nach der Klage alles leichter ist, alles erträglicher.

Wenn du dich von der Bibel inspirieren lassen willst, dann schau dir die Psalmen an. Sie haben eine sehr heilsame Wirkung, weil sie die Gebetsworte eines Klagenden ausdrücken. Und darin liegt Heilung, weil ich ausdrücken kann, dass ich mich gerade schlecht fühle. Und das darf genauso sein. Wir dürfen uns schlecht fühlen. Hier einige Psalmen zum Thema Klage:

Vernimm, Gott, mein Bittgebet, verbirg dich nicht vor meinem Flehen! Achte auf mich und erhöre mich! Klagend irre ich umher und bin verstört wegen des Geschreis meines Feindes, unter dem Druck des Frevlers. (Ps 55,2-4)

Rette mich, Gott, denn das Wasser geht mir bis an die Kehle! Ich bin versunken im Schlamm des Abgrunds und habe keinen Halt mehr. In Wassertiefen bin ich geraten, die Flut reißt mich fort. (Ps 69,2-3)

Du siehst, wie viel Gefühl, Leidenschaft und Schmerz in diesen Worten liegen. Versuche es doch mal selbst so zu beten.

Wie kannst du nun die Klage in dein Gebetsleben integrieren?

Du kannst zum Beispiel mit den Psalmen beten. Und so werden die Worte Davids zu eigenen Worten.

Wann immer dir im Leben etwas schwerfällt, dann probiere es mal aus, dass du in diesem einen Moment kurz innerlich innehältst, und dich nicht ohne Gott beschwerst, sondern mit Gott. Denn das Murren ist ohne Gott, das Klagen ist mit Gott. Probiere es aus und schau, wie es dich in deiner Beziehung zu Gott noch näherbringt. Gott will uns, mit Licht und Schatten, in Freude und im Leid. Dieses Leid können wir in der Klage vor Gott ausdrücken.

Noch ein ganz praktischer Tipp: Du findest im Gotteslob auf den Seiten 938-939 eine Andacht zur Trauer und Klage, die sich sehr schön beten lässt.

#10 Einübung der Freude

So nun genug der Klage. Jetzt soll es um die Freude gehen. Um die Freude, die das christliche Leben bringt. Ich bin überzeugt, dass Gott uns aus Freude erschaffen hat, dass wir wiederum Freude erleben können. Gott möchte, dass wir uns an unserem Leben dankbar erfreuen. Wir sollen uns an unseren Mitmenschen, an unseren Talenten und Gaben freuen. Alles wurde uns von Gott geschenkt aus Gnade. Er hat uns an den Platz gestellt, an dem du und ich heute, jetzt leben.

Ein anderes sehr schönes Wort für Freude kann die Wertschätzung sein. Ich kann dankbar und freudvoll alles in meinem Leben wertschätzen. Dann lebe ich die göttliche Fülle und mein Leben wird zur Freude. Besonders üben kann ich das bei den kleinen Dingen.

Das griechische Wort Evangelion bedeutet „frohe Botschaft“. Denn ist das Evangelium doch eine Botschaft, die uns befreit, die uns die Wahrheit schenkt. Die Wahrheit macht uns frei, sagt Jesus.

Wir sind gerettet, weil Jesus den Preis bezahlt hat. Wir sind geliebt, weil er uns zuerst geliebt hat. Wir können uns den Himmel nicht verdienen, und müssen ihn uns auch nicht verdienen. Wir bekommen ihn gratis geschenkt. Unser Herz heilt, unser Geist erhält leidenschaftliche Gedanken für Gott. Was gibt es Schöneres?

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker (Mt 13,44).

Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist (Röm 14,17).

Und dies schreiben wir, auf dass unsere Freude vollkommen sei (1 Joh 1,4).

#11 Lobpreis

Eine andere Möglichkeit mit seelischen Nöten umzugehen, ist nicht die Klage, wie wir es entdecken duften, sondern der Lobpreis. Also, Gott zu danken und zu loben.

Wieder können wir von den Psalmen lernen, wenn diese zunächst die Not ausdrücken. Schauen wir auf den Psalm 71. Da heißt es zu Beginn:

Reiß mich heraus und rette mich in deiner Gerechtigkeit. Neige dein Ohr mir zu und hilf mir! (V.2)

Mein Gott, rette mich aus der Hand des Frevlers, aus der Faust des Bedrückers und Schurken! (V.4)

Das klingt doch sehr nach Klage.

Gleich im Anschluss wird Gott gelobt und gepriesen, was immer wieder ein ganz typischer Aufbau der Psalmen ist:

Denn du bist meine Hoffnung, Herr und Gott, meine Zuversicht von Jugend auf. Vom Mutterleib an habe ich mich auf dich gestützt, aus dem Schoß meiner Mutter hast du mich entbunden, dir gilt mein Lobpreis allezeit (V5-6).

Das heißt also: ich kann mit meiner empfundenen Not auch ganz anders umgehen. Statt zu klagen, kann ich Gott loben, für das was bereits gut in meinem Leben funktioniert. Meist ist es so, dass nach dem Lobpreis Gottes die Klage entfällt. Das ist ein Geheimnis des Lobpreis-Gebets.

Zuerst bin ich frustriert über meine Situation, doch ich lobe und plötzlich sehe ich, für was ich alles dankbar sein kann.

Das hilft auch in Notsituationen. Schauen wir auf Daniel im Buch Daniel. Dieser ist in einer großen Notsituation, die sein Leben bedroht. Und dennoch lässt er sich nicht davon abbringen, zu Gott lobpreisend zu beten. Das Kapitel 6 im Buch Daniel steht unter der Überschrift: Daniel in der Löwengrube.

Was ist passiert?

Darius, ein Meder und Perser, hat die Königsherrschaft in Babylon übernommen. Er setzt Beamte ein, zu denen auch Daniel gehört. Daniel ist von besonderer Begabung und alles was er anfasst, erblüht regelrecht. Er ist von Gott gesegnet, weil er ihm treu bleibt. Ein wirkliches Glaubensvorbild, doch dazu später mehr.

Weil Daniel so auffassungsschnell ist, will ihn Darius zum höchsten Beamten des ganzen Reiches machen. Das passt den anderen Beamten natürlich nicht, und sie überlegen, wie sie Daniel am besten zu Fall bringen. Da es aber keinerlei Grund zur Anklage oder kein Vergehen gibt, stellen sie fest, dass sie Daniel nur durch seinen Glauben zu Fall bringen können. So bedrängen sie König Darius ein Dekret zu erlassen, dass niemand, dreißig Tage lang an irgendeinen Gott oder Menschen eine Bitte richten darf, außer an den König selbst. Darius unterzeichnet das Verbot (vgl. Daniel 6,1-10).

Was macht nun Daniel? Er lässt sich nicht unterkriegen. Er hört auch nicht auf weiter zu beten, obwohl das sein Leben gefährdet. Lesen wir weiter:

Als Daniel erfuhr, dass das Schreiben unterzeichnet war, ging er in sein Haus. In seinem Obergemach waren die Fenster nach Jerusalem hin offen. Dort kniete er dreimal am Tag nieder und richtete sein Gebet und seinen Lobpreis an seinen Gott, ganz so, wie er es gewohnt war (6,11).

Das bedeutet, selbst in solch einer Situation lobt Daniel seinen Gott. Und dieses Lob wird ihn letzten Endes auch aus der Löwengrube retten. Das Glaubenszeugnis von Daniel, sein Mut, seine Entschlossenheit, seine Ausdauer und Geduld und sein hundertprozentiges Gottvertrauen ist bemerkenswert.

Üben wir also auch einen Geist ein, der Gott lobt und preist. Wie es im Psalm 150 heißt: Alles, was atmet, lobe den Herrn (V.6).

Der Lobpreis ist auch eng mit der Dankbarkeit verbunden. Statt zu lamentieren und zu protestieren wie schwer ich es doch habe, kann ich doch auch stattdessen loben und danken. Danke Gott, dass ich atmen darf, dass ich gehen kann, dass ich lebe, dass ich Freunde habe.

Der Lobpreis kann sehr gut ausgedrückt werden in einem Lied. Auf Youtube gibt es christliche Lobpreislieder, die sehr tief bewegen. Alle Videos von Hillsong UNITED, Urban Life Worship, Hillsong Worship, oder auch Hillsong auf Deutsch, sind sehr zu empfehlen. Lehne dich zurück, entspanne dich, und lausche einfach der Musik. Du kannst eine tiefe Gebetserfahrung machen, wenn du dein Herz beim Lobpreis öffnest. Probiere es einfach mal aus.

#12 Gott mit ganzem Herzen lieben

Die Liebe zu Gott ist für Jesus zentral. Aus dieser Liebe zum Schöpfer erwächst die Liebe zum Nächsten. Aus reiner Liebe hat sich der Gottmensch Jesus hingegeben. Denn es gibt keine größere Liebe als wenn sich ein Freund für seine Freunde hingibt.

Bevor ich etwas von Gott fordere und wünsche, kann ich mich darin üben zuerst ihn ganz zu lieben und zu fragen, was er denn braucht, was ich für ihn tun kann. Wir können uns die Frage stellen: Kann ich Gott völlig lieben? Vielleicht fragst du dich, wie ich denn als Christ diesen Gott, ein unsichtbares Wesen lieben kann. Hier ist der Schlüssel bei Jesus Christus zu finden. Gott wurde in Jesus Mensch, damit wir Menschen nicht nur erlöst werden, sondern auch damit wir ein Vorbild haben, damit wir unseren Gott auch in Menschengestalt anbeten können.

Warum liebe ich Gott persönlich?

So auf die Schnelle gar nicht so leicht zu erklären. Ich liebe Gott, einfach weil Gott, Gott ist. Weil er ein barmherziger und gnädiger Gott ist, langmütig und reich an Huld und Treue (vgl. 2Mo 34,6).

Und dann ist da natürlich Jesus. Ich brauche nicht zu erklären, warum dieser Mann aus Nazareth liebenswert ist. Davon spricht das ganze Evangelium. Er kehrt bei Sündern ein, er weckt Tote auf, heilt Blinde, Gelähmte, Besessene, Stumme, Taube, er geht sogar so weit, ans Kreuz zu gehen. Er ist einfach ein vollkommener Mensch; es gab niemand vor ihm, der so war, und niemand nach ihm. Er ist absolut einzigartig in der Menschheitsgeschichte. Und er liebt die Schwachen, die Ausgegrenzten und was mich am meisten berührt: Er erwählt Männer und Frauen zu seinen Jüngern, die alles andere als perfekt sind. Und doch schätzt er sie, für ihre ganz spezielle Art.

Was mich besonders bewegt: Nach seiner Auferstehung, hätte jeder normal sterbliche Mensch, es „raushängen“ lassen, dass er im Recht war. Zum Beispiel: „Siehst du, Petrus. Ich habe dir gesagt, dass du mich verraten wirst. Du musst jetzt erstmal zehn Monate Buße tun, dich erniedrigen vor mir, und mir gestehen, dass ICH recht hatte.“

Nichts dergleichen. Jesus fragt ihn stattdessen: Liebst du mich? Dreimal fragt er Petrus. Wie großartig ist das? Jeder „normale“ Mensch, der eben nicht Gott ist, hätte auf sein Recht gepocht. So wäre ich zum Beispiel. Erstmal eine Standpredigt, warum seine Jünger – obwohl sie sich seine Freunde nennen – ihn verraten haben.

Vielleicht ist das der Grund, warum ich Jesus so schätze. Er pocht nicht auf sein Recht nach der Auferstehung, weist niemand in die Schranken. Er jammert nicht: „Die Menschen sind so schlecht. Auf niemanden kann ich zählen“. Er beklagt nicht: „Warum habt ihr mich alle verlassen?“. Er sucht keine Schuldigen: „Petrus, du hast mich dreimal verraten!“, hält keine Moralpredigt: „Seht ihr. Ihr seid einfach verkommen. Wieso habt ihr euren besten Freund nicht beigestanden?“, fordert keine Entschuldigung: „Also liebe Jünger, jetzt kommt jeder einzelne vor, und bittet mich um Verzeihung!”, er ist nicht rechthaberisch: „Ich habe es euch doch GLEICH gesagt!“, er hat keine Selbstzweifel oder bedauert sich selbst: „Ich bin doch ganz allein. Auf keinen Menschen kann ich bauen!”

Genau das ist der Grund, warum Jesus so besonders ist. All diese Dinge tut er nicht. Er hat einfach Klasse, er hat Stil, er ist zwar ganz Mensch wie du und ich, aber er ist eben nicht so kleinkariert und kleingeistig wie wir „normalen“ Menschen. Das Leiden, das er durchgemacht hat, kann er nur so souverän bestehen, weil er Gott ist. Da gibt es keinen Zweifel. Ein gewöhnlicher Mensch hätte wahrscheinlich seinen Verstand verloren.

Die Freude am Glauben ist erfüllend. Bleibt noch zu fragen: Liebst du Gott? Und wenn ja, warum? Es lohnt sich mal drüber nachzudenken.