Das Werk von Dr. Rudolf Steiner

Einleitende Worte zur Anthroposophie

In den nächsten Blogbeiträgen möchte ich mich mit der Anthroposophie beschäftigen, insbesondere mit den Büchern „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ und „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ von Dr. Rudolf Steiner. Wer ein Wahrheitssuchender ist, kommt meiner Meinung nach nicht an der Anthroposophie vorbei. Doch gibt es etwas Wichtiges zu beachten. Doch dazu gleich mehr.

Diese beiden Bücher sind aus meiner Sicht sehr besonders. Natürlich kann man von Rudolf Steiner halten was man will, und mit Sicherheit gibt es Kritisches an „seiner“ Anthroposophie. Dennoch möchte ich aus den beiden Büchern zitieren, weil es dort sehr methodische Passagen gibt. Und alles was methodisch ist, ist für mich von Interesse.

Rudolf Steiner sagt an einer Stelle, dass es sehr wichtig ist für den Schüler neugierig und offen zu bleiben. Genau diese Neugierde und Offenheit möchte ich mir bewahren und mit einem offenen Geist der Anthroposophie begegnen. Rudolf Steiners Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ habe ich mit großem Interesse gelesen und war gefesselt von den wirklich ungewöhnlichen Ansichten, wie man sich geistig weiterentwickeln kann. Mal was anderes!

Die zwei Hauptprämissen der Anthroposophie sind fantastisch: Nämlich erstens: Dass es eine geistige Welt gibt, aus der wir alle stammen und in die wir wieder zurückkehren. Und zweitens: Dass wir alle geistig-seelische Wahrnehmungsorgane haben und unser Ziel darin besteht, diese in uns schlummernden Fähigkeiten zu wecken, um zu einer Schau in der geistigen Welt zu kommen.

Um das zu erreichen, müssen wir laut Steiner allerdings eine Seelenschulung durchleben: nämlich in unserem Denken, Fühlen und Wollen. Wie einfach scheint heute in der Esoterik das Versprechen in Kontakt mit seinem Geistführer oder den Engeln zu treten. Doch anthroposophisch gesehen ist das zu einfach gedacht. Wir brauchen laut Steiner eine Charakterschulung, einen Schulungsweg, der ein gesundes Denken voraussetzt.

Das ist auch ein Punkt an der Anthroposophie, der mich fasziniert: Es geht nicht darum, nichts zu denken – wie es im Zen-Buddhismus betont wird –, sondern ganz im Gegenteil darum, logisch und folgerichtig zu denken. Laut Steiner sind wir nur im Denken wach, im Fühlen träumen wir und in den Handlungsimpulsen schlafen wir. Ohne gesundes, logisches Denken können wir nicht spirituell weiterkommen. Es ist von großer Wichtigkeit einen gesunden Menschenverstand zu entwickeln.

Natürlich wie bereits erwähnt, gibt es auch an der Anthroposophie kritische Punkte. Oftmals sind die Thesen von Rudolf Steiner nicht überprüfbar und klingen nach Science-Fiction-Literatur. Man müsste ihm Glaube schenken. Doch das ist an manchen Stellen nicht möglich. Ich plädiere dafür, die Dinge, die man ihm nicht glauben kann, auch nicht zu glauben. Wie oben erwähnt geht es mir um den methodischen Teil seiner Arbeit, der sehr faszinierend ist.

Es kann nicht geleugnet werden, dass derjenige, der ernsthaft Theologie betreibt, zu dem Entschluss kommen mag, dass Christentum, Islam und Buddhismus – um nur drei der großen Weltreligionen zu nennen – niemals zusammenpassen. Da nützt auch kein Vereinheitlichungsversuch, indem man sagt: „Naja, alle glauben ja an den einen Gott.“

Es ist Fakt, dass der Gott des Islams ein anderer ist als der Gott der Christen. Dieser ist ein dreieiniger Gott, während der Trinitätsglauben im Islam heftig bekämpft wird. Viele Moslems glauben deshalb ja, dass die Christen mehrere Götter anbeten.

Oder der Buddhismus. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Buddhisten an überhaupt keinen personalen Gott glauben. Die Weltreligionen scheinen nicht zusammenzupassen. Man bekommt sie nur schwer unter einen Hut … Es sei denn man betreibt eine geisteswissenschaftliche Theologie. Nach der Anthroposophie gibt es – wie oben bereits erwähnt – eine geistige Welt und es ist das Ziel des Menschen in dieser geistigen Welt sehend, hörend, fühlend zu werden. Das ist Erleuchtung und Einweihung für den Anthroposophen.

Spüre einmal in dir nach, was das mit dir macht. Siehst du wie sich dein Blick weitet, wenn du an unsere geistige Heimat denkst, wenn du eine Adlerperspektive einnimmst? Einen Blick von oben? Wahrscheinlich hast du schon längst solche Erfahrungen gemacht! Wenn du dort hineinfühlst, was zeigt sich dir? Was macht dieser Gedanke mit dir?

Eine weitere Prämisse der Anthroposophie: Es gibt in der geistigen Welt Wesenheiten, wie den Christus, oder den Buddha, oder die Heiligen – einen Bruder Klaus, einen Franz von Assisi, eine Hildegard von Bingen. Oder all die anderen Weisheitslehrer der Menschheit: einen Rumi, einen Laotse, einen Konfuzius … sie alle sind in der geistigen Welt anzutreffen und du kannst – wenn du dich schulst, wie in den nächsten Beiträgen geschildert – sie erfahren, erleben. Vielleicht spürst du schon, wie sich etwas auftut, wie du eine Freiheit und Liebe in der geistigen Welt wahrnimmst.

Die Weltreligionen passen also doch zusammen. Siehst du den Unterschied zwischen einer rein „irdischen“ Theologie und einer Theologie, die eine geistige Welt miteinbezieht? Das ist eine gänzlich andere Erfahrung.

In den nächsten Beiträgen soll es um Zitate von Rudolf Steiner gehen, die in den Büchern „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welt?“ und „Die Geheimwissenschaft im Umriss“ zu finden sind. Es soll um praktische, anwendbare Tipps gehen, die notwendig sind, damit du die nötige Seelenreife erlernst, um die geistige Welt wahrzunehmen, hellsehend oder auch hellfühlend.

Noch etwas zum Thema Glaube und Wissen. Egal ob der Mensch an eine Sonne glaubt oder nicht, sie existiert. Das sehen wir jeden Tag. Sie gibt es unabhängig vom Glauben an sie. Ich kann daran glauben, dass es keine Sonne gibt, das macht der Sonne nichts aus, denn sie strahlt weiterhin jeden Tag. Genauso ist es auch mit Christus und mit Gott. Egal ob man an Christus oder Gott glaubt oder nicht glaubt. Sie existieren, genau wie die Sonne. Dieser Gedankengang hat mir sehr geholfen, von einem „Nur” Glauben zu einem echten unerschütterlichen Wissen zu kommen. Im Grunde glaubt der Anthroposoph nicht mehr an Christus und an Gott, sondern er weiß von ihnen. Er weiß, dass sie existieren. Das kann jeder erleben, der Christus oder Gott mit geistigen Augen geschaut hat. Das wiederum ist das Resultat einer anthroposophischen Schulung.

Auch die Frage nach der Wahrheit kann geklärt werden. Die Frage ist: Was ist Wahrheit? Einfache Antwort: Alles, was existiert, sowohl auf Erden, als auch in der geistigen Welt. Der Mensch macht sich ein Bild von der Welt, das nennt man dann Weltbild oder Glaube. Was ist also nun Wahrheit? Wenn das persönliche Weltbild mit der Realität zusammenpasst, dann sprechen wir von Wahrheit: denn alles wird im Weltbild so abgebildet, wie es tatsächlich in Wahrheit ist. Je genauer ich meine Umwelt beobachte und je exakter meine logischen Schlussfolgerungen sind, desto exakter ist mein Weltbild.

Ein Geisteswissenschaftler macht nichts anderes als ein Naturwissenschaftler. Er beobachtet, nimmt wahr, bildet Thesen und überprüft seine Thesen mit Hilfe von Experimenten. Du siehst: Wir alle sind Naturwissenschaftler, auch Kinder. Wir beobachten Menschen und ihr Verhalten, ziehen Folgerungen daraus und erwarten dann in der Zukunft, dass dieses Verhalten sich wiederholt (das ist dann das Experiment).

Nach Steiner müssen wir also lernen, genau mit diesem naturwissenschaftlichen Geist, in der geistigen Welt zu beobachten. Das ist letzten Endes die Grundannahme der Anthroposophie. Wir sollen genauso neugierig sein und mit Forschergeist und Pioniergeist in der geistigen Welt fühlen und schauen. Das Geschaute muss dann in logische Gedanken gegossen werden, das funktioniert aber nur, wenn das Denken vorher geschult wird: hin zu einem logischen, vernünftigen Denken.

Du siehst also: da kommt Arbeit auf uns zu, denn wir müssen uns diese Dinge, diesen Charakter erarbeiten, damit sich die geistigen Augen und Ohren öffnen können.

Das steht im gravierenden Unterschied zur heutigen, oberflächlichen Esoterik. Wer aber wirklich eine Tiefe verlangt, eine Schulung, ein Streben nach einem hohen Ideal, der ist da nicht gut aufgehoben. Genau deshalb ist ja die Anthroposophie so genial, weil sie uns einen sehr tiefen, profunden Zugang ermöglicht. Aber: er muss erarbeitet werden und das dauert seine Zeit.

Vor allem aber muss der gesunde Menschenverstand trainiert werden. Wir müssen mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen. Besonders ist unsere Logik gefordert, die es als Geisteswissenschaft seit etwa 2400 Jahren gibt und von Aristoteles begründet wurde. Wir alle nutzen die Logik in unserem Denken. Da gibt es Prämissen, also die Voraussetzungen, um dann in einem weiteren Schritt zur Konklusion, der Schlussfolgerung zu kommen. Mithilfe der Logik kann man Schwachstellen einer Argumentation aufdecken; wenn diese nicht stichhaltig ist, wenn sie versteckte Annahmen oder einfach nur unklare Überlegungen enthält.

Du siehst auch hier: Da kommt Denkarbeit auf uns zu! Es ist hilfreich einmal zu ergründen, was du glaubst. Welche Glaubenssätze in dir stecken. Sind diese logisch? Machen sie Sinn? Woher kommen sie? Und nützen sie dir heute noch? Oder untergraben sie immer wieder dein Glück? Nutze deine Logik, um Glaubenssätze zu entkräften, die dir schaden. Wenn du zum Beispiel glaubst, du seiest nicht liebenswert, dann ergründe, woher das kommt. Hat dir das vielleicht ein Erziehungsberechtigter so vermittelt? Aber logisch ist das nicht. Denn selbst wenn 99 % der Menschen dich ablehnen, gibt es immer noch 1 %, die dich toll finden. Außerdem: wer sagt dir denn, wer liebenswert ist und wer nicht? Wer definiert den Wert eines Menschen? Sind Kleinkinder, die im Großen und Ganzen nichts leisten, denn dann mit dieser Logik nichts wert? Ganz im Gegenteil: Diese zauberhaften kleinen Menschen sind vollkommen liebenswert. Du siehst, wie mit wenigen logischen Gedanken ganze Glaubensgebäude zusammenfallen. Das ist ein befreiender Moment!

All das kommt auf den zu, der sich mit der Anthroposophie, der Geisteswissenschaft, beschäftigen will.

Jetzt aber noch etwas zur Kritik. Wie oben schon erwähnt, kann die Anthroposophie aber nicht als absolut wahr gelten. Sie ist kein Dogma und sollte kritisch gelesen werden. Vieles ist nicht verständlich, vieles, vielleicht sogar das meiste, müsste geglaubt werden. Und das kann ich persönlich nicht. Die kurze Einführung aber zeigt auch das Potenzial der Geisteswissenschaft. Die Herleitung von der Naturwissenschaft hin zu einer Geisteswissenschaft, also einer Wissenschaft vom Geistigen, ist ein Geniestreich! Aber wie es bei jeder Weisheitslehre nötig ist: Bleiben wir kritisch! Hinterfragen wir Dogmen und scheinbare Wahrheiten. Keine Weisheitslehre auf diesem Planeten kann zu vollen 100 Prozent übernommen werden, das ist meine (vielleicht auch schmerzhafte) Erfahrung. Wir müssen lernen, die Dinge sehr differenziert zu sehen. Das ist auch wieder Gedankenarbeit. Nichts sollte einfach so übernommen werden, wir müssen uns gedanklich anstrengen, was wir wem glauben wollen. Das ist ein lebenslanger Findungsprozess.

Jetzt lass uns aber in die Textzitate eintauchen. Vielleicht sind sie ja auch für dich eine Bereicherung. Ich hoffe ich habe in dieser knappen Herleitung darlegen können, wo das Potenzial der Anthroposophie liegt und wo ihre Fallstricke und „Problemzonen“.