Was kann ich tun? Teil 2

Ich hoffe, du konntest mit den Übungen des letzten Artikel etwas anfangen. Hier nun vier weitere, die mir persönlich auf meinem Glaubensweg sehr helfen. Steigen wird gleich ein:

#5 Im Wort Gottes lesen

Diese geistliche Übung ist mir persönlich sehr wichtig geworden: aufmerksam in der Bibel zu lesen. Es kann nützlich sein, sich jeden Tag 15 Minuten in die Bibel zu vertiefen. Ich beschreibe mal wie das bei mir konkret aussieht:

Jeden Abend nehme ich mir fest vor, von 18.00 Uhr bis 18.30 Uhr in der Heiligen Schrift zu lesen. Das was mich am meisten berührt, schreibe ich auf kleine Karteikarten (A6), die ich später für das persönliche Gebet nutze. Die Karteikarten kann ich als Variante auch mischen, eine Karte ziehen, und über den Text nachsinnen. Es geht darum, dass du dir das „raus schreibst“, was dich wirklich bewegt und berührt. Ein Beispiel:

Gestern las ich im 1. Buch Samuel folgende Verse: „Und es geschah, als er [Saul] sich umwandte, um von Samuel wegzugehen, da gab ihm Gott ein anderes Herz.“ (10,9) Und: „Denn der Herr sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Denn der Mensch sieht auf das, was for Augen ist, aber der Herr sieht auf das Herz“ (16,7). Diese beiden Stellen haben mich sehr berührt, denn sie sprechen eine immens wichtige Botschaft aus. Es geht vor allem um das eigene Herz. Gott schaut nicht auf das Äußere, auf Status und Besitz, sondern auf das Herz. Auch Jesus will in unser Herz kommen, egal wie kaputt und „vernarbt“ es ist.

Diese zwei Verse schrieb ich auf jeweils eine Karteikarte. Das hat den Vorteil, dass ich sie mischen, beliebig ziehen oder sie im Gebet nutzen kann.

Die Bibel ist somit eine Sammlung von Texten, wie dieser Gott Israels ist. Es ist manchmal schwierig zu fühlen, wie Gott ist, dabei können Irrtümer entstehen. Wenn ich dann aber in der Heiligen Schrift lese, wie dieser Gott denkt und fühlt, dann kann ich mich wieder neu danach ausrichten. Man könnte auch sagen, in der Bibel stehen die Fakten, nach denen sich mein Gefühl ausrichten soll. Außerdem gibt mir die Bibel in ihren Hauptfiguren und Personen so viel Kraft und Mut. Im Grunde ist die Bibel voll von Menschen, von Frauen und Männern, die nicht perfekt sind, die viele Fehler machen, die fallen und mit Gottes Hilfe wieder aufstehen. Denn der Gott der Bibel ist ein barmherziger Gott. Er steht zu uns, gibt uns nicht auf, und vergisst nicht die Verheißungen und den Bund, den er mit seinem Volk geschlossen hat (vgl. 5 Mo 4,31).

Eine wichtige Stelle in der Bibel findet sich im 2. Buch Mose. Da heißt es: „Und der Herr ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: „Jahwe, Jahwe, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue (34,6).

Das sind die Fakten, wie Gott ist: barmherzig, gnädig, langmütig, treu. Jetzt kann sich nach dem Lesen, mein Gefühl im persönlichen Gebet daran orientieren. So ist die Bibel wichtig, um sich an den Fakten auszurichten.

#6 Der Name Jesu als Gebet

Oft sehnt sich der moderne Mensch nach Einfachheit. Das betrifft auch das Beten. Viele Menschen können mit langen, komplizierten, auch vorformulierten Gebetsworten nichts mehr anfangen. Die Frage besteht also: Wie finden wir Christen und Christinnen zurück zur Einfachheit?

Die Antwort ist so einfach wie genial: Im Namen Jesu. Wenn uns jemand nach unserem Namen fragt und uns das Du anbietet, fühlen wir uns deutlich verbundener zu dieser Person. Mit unserem Namen identifizieren wird uns und protestieren vehement, wenn wir mit falschem Namen angesprochen werden. Wenn wir den Namen Jesu aussprechen, ist das bereits ein Gebet, weil wir eine Beziehung zum Sohn Gottes aufbauen.

Es kann sehr nützlich sein, den Namen Jesu, beispielsweise als Stoßgebet, mehrere Male am Tag zu nennen: Ein einfaches „Jesus Christus“, reicht aus und ich erfahre sofort Hilfe.

Hier noch drei Bibelstellen, die die Besonderheit des göttlichen Namens Jesu erfassen:

Und aufgrund des Glaubens an seinen Namen hat dieser Name den Mann hier, den ihr seht und kennt, zu Kräften gebracht; der Glaube, der durch ihn kommt, hat ihm vor eurer aller Augen die volle Gesundheit geschenkt. (Apg 3,16)

Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen. (Apg 4,12)

Darum hat ihn Gott über alle erhöht, und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen, vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes des Vaters (Phil 2,9-11).

#7 Kontemplativ beten

Den Weg vom Gebet zur Schau Gottes nennt die Kirche Kontemplation oder Mystik. Franz Jalics (1927-2021), ein Jesuitenpater und Autor, beschreibt die Kontemplation in seinem Buch Lernen wir beten so:

Der eigentliche Gebetszustand, den die Kirche Kontemplation nennt, ist der Gnadenweg, in dem der Mensch nicht mehr auf Bilder oder Gedanken achtet, sondern auf Gott selbst. […] Der Mensch macht nichts. Er verweilt im Schauen, und die Kraft Gottes verwandelt sein Schauen in einen immer tieferen Blick, bis das Einswerden mit Gott geschenkt wird.

Es geht bei der christlichen Kontemplation nicht um die Ergebnisse. Der/die Übende schenkt seine/ihre Zeit vielmehr Gott und macht sich so frei von den Ergebnissen. Pfarrer Michael Pflaum beschreibt es in seinem Buch Die Lichtflamme in dir: Einführung in das kontemplative Gebet mit Geschichten, Impulsen und Orientierungshilfen, so:

Stell dir vor, du sitzt mit Jesus auf dem Sofa und ihr trinkt zusammen Rotwein! – Das ist eigentlich das Jesusgebet.

Diese Betrachtungsweise entspannt und macht frei von Druck und Leistungsdenken. Es geht um den Genuss der Freundschaft zu Jesu und zu Gott.

Den Namen Jesu anzurufen ist dabei keine Technik oder Methode. Sondern wir pflegen als Übende eine Beziehung zu Jesus. Denke zurück, als du dich das letzte Mal mit einer guten Freundin getroffen hast. Warst du da besorgt, wolltest du alles richtig machen? Nein, du hast dich entspannt und genossen. Du warst voller Freude und im gemeinsamen Gespräch konntest du dich öffnen. Am Ende warst du überglücklich eine solch tolle Freundin zu haben, der du alles erzählen kannst.

So ist es auch mit der stillen Meditation. Sie ist diese Begegnung in Freude mit dem barmherzigen Jesus, der uns liebt. Der Name ist der Zugang dazu.

#8 Sein Kreuz auf sich nehmen

Der sel. Papst Johannes XXIII schreibt über den christlichen Sinn des Leidens:

Leider neigen viele dazu, jedes körperliche Leiden auf Erden als Übel, und zwar als absolutes Übel zu betrachten. Sie haben vergessen, (…) dass wir zum Kreuz Jesu aufschauen müssen, (…) in der Erkenntnis, dass im Kreuz Trost und Heil ist und dass man in der Liebe zu Christus nicht ohne Schmerzen leben kann.

Ist es nicht so, dass wir durch unser persönliches Leiden und unser Kreuz die wunderbare Möglichkeit haben, Jesus nahezukommen? Viele berichten, dass sie in ihrem Schmerz Jesus deutlich gefühlt haben, viel deutlicher als in guten Zeiten. Hat das Leid nicht auch den Sinn, dass wir Jesus begegnen?

J. Heyram schreibt:

Gott braucht einen jeden von uns. Kein einziges Leben ist sinnlos. Diejenigen, die davon träumten, einmal viel arbeiten zu können und nun schon jahrelang an ihr Krankenbett gefesselt sind, die mögen davon überzeugt sein, dass ihr Leben nicht umsonst ist. Im Reiche Gottes ist das Leben derjenigen, die leiden und dulden, am wertvollsten, weil sie dadurch dem Menschensohn, der für unsere Sünden gelitten hat, gleichförmig werden. Und dadurch ist ihr Leben verdienstvoll für sie selbst und für die Gemeinschaft. Keiner von uns lebt für sich selbst, und keiner stirbt für sich selbst.

Ist das nicht eine völlig neue Sichtweise, ein regelrechter Paradigmenwechsel? Wer bei Jesus lebt, und mit ihm mitleidet, dem geht es plötzlich nicht mehr (nur) darum, sein Leben so leidfrei wie möglich zu erfahren, sondern er erkennt in seinem Leiden einen Sinn – sein Leid ist nicht sinnlos. Er nimmt sogar teil an der Sühnetat Jesu.

So wunderschön drückt es der Kolosserbrief aus:

Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Ich ergänze in meinem irdischen Leben, was an den Bedrängnissen Christi noch fehlt an seinem Leib, der die Kirche ist. (1,24)

Im Philipperbrief heißt es:

Denn euch wurde die Gnade zuteil, für Christus da zu sein, also nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch seinetwegen zu leiden. (1,29)

Und im 2. Brief an die Korinther:

Denn wir wissen, dass ihr nicht nur an den Leiden teilhabt, sondern auch am Trost. (1,7)

Pierre Lyonet (1707-1789), ein niederländischer Universalgelehrter sagt:

Der Christ hat das Ja gefunden zum Leid, zur Mühsal, zum Schmerz, zum Opfer – ein wunderbares Ja (…) Das Reich Gottes [wird] einfach dadurch verwirklicht, dass ich der Krankheit, dem Tode, meinem Versagen und meinen Misserfolgen zulächle.

Bruder Lorenz von der Auferstehung sagt, dass,

wer die Krankheit aus Gottes Hand annimmt und sie als eine Wirkung Seines Erbarmens und als ein Mittel zu unserem Heil betrachtet, der findet fast immer große Linderung und einen spürbaren Trost. Ich wünschte, Sie könnten sich davon überzeugen, dass Gott uns oft näher ist, wenn wir krank und schwach sind, als in den Zeiten, in denen wir uns unserer vollen Gesundheit erfreuen.

Wir kämpfen nicht länger gegen die Krankheit an, sondern üben uns im Erdulden und vor allem im Akzeptieren. Seit der Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross (1926-2004) wissen wir, dass erst durch das Akzeptieren des eigenen Schicksals und des Todes das Herz Ruhe und Frieden findet.

Die hedonistische Gesellschaft jedoch will alles weghaben: Das Leid, die Hässlichkeit, das Altern, den Schmerz, die Krankheit. Doch wie wir erfahren haben, kann gerade das Leiden eine unglaublich wertvolle Erfahrung sein, in der wir demütiger werden und unsere Liebe zu Jesus wachsen kann.

Möge diese Umdeutung des Leidens ein Trost sein!